Weichselbaumer 'Alto' (wohl vor 2000)

Im Sommer 2016 konnte es mal wieder nicht lassen und habe mir ein weiteres Schätzchen zugelegt. Nachdem mein Sohn Alex meine Grems verkaufen konnte, war das überfällig. :-)

Weichselbaumer 'Alto', Baujahr unbekannt (wohl vor 2000)
4 Melodiesaiten g d G C
4 Schnarren g a d c
3 Bordune G D C
12 Resonanzsaiten
Tonabnehmer mit Klinken- und XLR-Ausgang
Security-Locks

Wie kam's dazu?
Für seine Schüler ist Alex ja immer auf Instrumentensuche, und so ist er auch zu Kilians ('Triskilian') Instrument gekommen. Der will sich mehr auf seine anderen Instrumente konzentrieren und hat sich (wohl schweren Herzens) davon getrennt. Alex hat sie erst mal bei Wolfgang selbst überholen lassen, die Bemalung auf Deckel und Radschutz wurde abgeschliffen. Alex hat dann noch einen kompletten Satz Metallfähnchen von W. Simons eingebaut und wollte sie dann wieder verkaufen.

Da konnte ich nicht nein sagen.

Ganz lassen konnte ich dann auch nicht, noch drei Kleinigkeiten zu verändern. Den Bordun-Kapodaster von C -> D habe ich auf G -> A umgebaut, weil ja ein D-Bordun drauf ist (vielleicht hatte auch Alex G- und C-Bordun vertauscht, damit die Reihenfolge wie auf der Schnarren-Seite ist). Natürlich hat sie auch vier meiner Eigenbau-Saitenheber (neueste verbesserte Version, auch optisch perfekt zum technischen Stil des Instruments passend) und einen Eigenbau-Kurbelknauf bekommen.

 

Wir schreiben das Jahr 2018. Alex und ich sind in der Werkstatt von Wolfgang W. Alex bekommt das neue Speichenrad. Die Idee ist, was die Eigenschaften (Breite, Elastizität ...) betrifft, näher an einen Geigenbogen heranzukommen. Schließlich ist die Drehleier ja ein Streichinstrument. Ich bin begeistert. Was für ein Klang, ein Unterschied wie Tag und Nacht! Das muß ich auch haben! Aber 800.- €? Vielleicht doch selber machen? Lieber Wolfgang, was ist das für ein Zaubermaterial da außen rum? Und wo kriegst du die Räder her?

Natürlich rückt Wolfgang nicht mit seinen Betriebsgeheimnissen raus, ich bin ihm auch nicht böse drum, ist ja selbstverständlich. Ich werd's schon rauskriegen! Er hat's ja auch geschafft. Also nichts wie ran an den Speck:

Aus einer quadratischen Aluplatte (14mm) habe ich das Rad (links) manuell gedreht und gefräst (ich habe leider keine CNC-Maschine). Reifenbreite 10mm, Gewinde M8 wie meist üblich. Dann altes Rad (rechts) raus und - oh Schreck - 12er Feingewinde!
Da hifts es nichts, es müssen auch eine neue Achse und neue Lager gedreht werden.

Auf diesem Bild ist meine erste Rad-Version schon fertig, aber erst mal der Reihe nach.

 

Bisher hatte ich keinerlei Ahnung von Formenbau. Das erste Rätselraten, wie das alles auch schön exakt rund werden soll, hatte ich aber durch ein bischen Nachdenken schnell gelöst: Ich mache mir eine Form aus Sperrholz! Innen sitzt mittig das Rad, außen rum ist ein Rand in der korrekten Radgröße + x (zum hinterher Abdrehen), in den das Randmaterial genau eingepaßt wird. Der Zwischenraum wird dann mit Silikon ausgefüllt. Vorher schön mit Fett einstreichen, damit das Silikon nicht in der Form festklebt.

Das Weichselbaumer-Rad hat keine Naht, also verkleben oder aus Vollmaterial drehen? Ein erster Test mit Linoleum scheiterte. Es schien zwar klanglich geeignet zu sein, ließ sich aber nicht nahtlos kleben. Ich habe das nicht weiter verfolgt. Dann probiere ich's mal mit Hart-PVC, also einen Ring aus schwarzem Vollmaterial gedreht.

Rein in die Leier. Nein, das war auch ein Schuß in'n Ofen, das Kolophonium hält nicht auf dem glatten Zeug. Also wieder raus und PVC und Silikon wieder runter. Wenigstens das Herstellungsprinzip funktioniert tadellos!

Wenn nicht hart, dann eben weich. Inzwischen hatte ich etwas von Shore-Härten gelesen, und auf dem Dachboden liegt doch noch 'ne Menge PVC-Fußbodenbelag.

Mit einer einfachen Spannvorrichtung habe ich auf der Drechselbank erst mal einen Ring ausgestochen.

Der mittlere Durchmesser des Rings sollte dem Enddurchmesser des Rads minus Materialstärke betragen. Man muß ja hinterher noch was zum Abdrehen haben. Bei ca. 3 mm Materialstärke des Fußbodenbelags ist da nicht viel Spielraum.

Aber der ist doch platt! Wie soll der um's Rad?

Umformen? Geht das? Und wie?

Wie so oft - wer nachdenkt, hat mehr vom Leben!

Ich hab mir eine Sperrholzscheibe gedreht, Durchmesser genau die Mitte des PVC-Rings (s.o.). Passend dazu einen Reifen, Innendurchmesser = Durchmesser der Scheibe + 2 x Materialstärke.

Jetzt kommt der Trick: PVC mit der Heißluftpistole erhitzen, bis es weich ist, über die Scheibe ziehen, Reifen drüberstülpen und warten bis es wieder erkaltet ist.
Ganz einfach!

& Voila! Funzt prächtig!
Also nochmal - rein in die Form ...
... mit Silikon ausspritzen ...

... schon wieder fertig, inzwischen alles Routine!

Die Sache hat nur einen Haken - PVC ist PVC, egal ob hart oder weich, es ist zu glatt. Wieder was gelernt.

Also alles wieder von vorne. Jetzt weiß ich auch, wie der Preis zustandekommt. Das hat so schon seine Ordnung! Gehirnschmalz ist teuer, und Zeit auch!

Aber was nimmt WW bloß für außen rum???

Also gleich mal vorab: Das Rad mache ich nicht auf Bestellung. Schon mal, weil's dem Wolfgang gegenüber nicht fair wäre (Das ist seine geniale Idee, außerdem glaube ich, er hat sich's patentieren lassen. ;) ). Außerdem möchte ich mir's mit ihm nicht verscherzen.
Ich weiß aber jetzt, was funktioniert (nicht aber, ob es genau das selbe Material ist, es gibt viele Varianten dieses Zeugs), aber ätsch, ich sage es nicht. Denkbar ist sogar ein Rad, das keine Watte mehr erfordert, da ist Wolfgang schon dran, aber meines Wissens ist die Lösung noch nicht optimal.

Nur soviel Tip für Trittbrettfahrer wie mich: Den Hinweis darauf habe ich in einem älteren Beitrag im Drehleierforum gefunden.

Ja, hier ist er nun, der Stoff, aus dem der Klang ist. Kann man sich über's Internet besorgen. Dann werd' ich mir mal auf der Bandsäge eine Scheibe abschneiden.

Das Ding mit dem Vakuum auf die Drechselbank gebracht und einen Reifen ausgestochen, wie vorher beim Hart-PVC.

Dann alles wie bereits reichlich geübt ...

 

... dann auf die Achse geschraubt und ab auf die Drehbank. Auf exaktes Außenmaß drehen und Konus von 1,8 Grad berücksichtigen. Hab ich mit Winkelfunktionen berechnet, das ist alles, was außer Pythagoras noch vom Matheunterricht hängen geblieben ist.

Und hier ist es nun am Ort der Bestimmung. Klingt wirklich schön und sieht auch edel aus!

Und das Allerbeste: Bei der Breite von nur noch 11mm spart man eine Menge Watte und Kolophonium! Da hätte man die 800.- € doch schnell wieder drin - oder etwa nicht?